Ballenstedt

Angekommen in Vorpommern

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Postkarte von Demmin mit der Kirche Sankt Bartholomaei

In der Gegend angekommen und sofort gelernt, dass wir uns hier ganz bestimmt nicht in Mecklenburg befinden, obwohl es doch der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte ist. Nein, hier sind wir in Vorpommern, genauer gesagt im ehemaligen Kreis Demmin, und man ist stolz darauf, ein Pommer zu sein, kein Mecklenburger. Je mehr ich über die Region lerne, umso besser verstehe ich, dass ich bisher nur sehr wenig verstanden habe. Ich wusste natürlich, das der grosse Caspar David Friedrich aus Schwedisch-Pommern kam, ebenso wie sein Kollege Philipp Otto Runge, aber was bedeuten schon solche trockenen Fakten. Als die beiden Maler geboren wurden, war Demmin schon über 50 Jahre lang Teil Preußens und zudem Grenzstadt – nach Norden hin zu Schwedisch-Pommern und nach Westen hin zu Mecklenburg. Die Wende kam, als Caspar David Friedrich bereits 17 Jahre in Dresden gelebt hatte, nämlich nach Waterloo und Wiener Kongress im Oktober 1815, als Vorpommern wiedervereinigt wurde und auch die Südschweden aus dem Norden Bürger der preußischen Provinz Pommern wurden. Caspar David Friedrich hatte übrigens eine Sommerwohnung in Loschwitz bei Dresden in der Nähe des Blauen Wunders, das es damals natürlich noch nicht gab. Es stand allerdings schon genau 99 Jahre lang, als ich nach Loschwitz zog und im Haus des Malers und Zeichners Josef Hegenbarth wohnte. Aber das ist eine andere Geschichte. Das Leben kann so betäubend gemächlich sein hier in Vorpommern, da schweift man schonmal ab…

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Caspar David Friedrich, Gartenterrasse. 1811 (Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Neuer Pavillon)

Jedenfalls: Caspar David Friedrich und Axel Wendelberger, Vorpommern und Loschwitz… und Ballenstedt, meine Heimatstadt im Harz! Jawoll, der Meister war dort! Es sieht auch so aus wie auf seinem Bild «Gartenterrasse», nur nicht auf einmal. Da wäre der Schlosspark im Vordergrund, den gibt es. Einen Löwen auf Sockel findet man heute noch. Als Kinder haben wir gern draufgesessen. Allerdings würde man den Brocken nicht so prominent sehen. Von der Roseburg aus, die sich auf dem Hügel rechts hinter der Skulptur in der Bildmitte erahnen lässt, hat man einen schönen Blick auf den Hexenberg, so nah beieinander stehen sie jedoch nicht. Alles ist da, erscheint aber falsch zusammenmontiert. Der alte Südschwede hat auf seinen Bildern ganz schön geschummelt. Die Kirchenruine von Eldena bei Greifswald fand sich eines Tages sogar im Riesengebirge wieder. Man hat halt seine Lieblinge alle gern in der Nähe. Spannend für mich ist das Datum, an dem sich der Meister auf den Weg von Dresden in den Harz machte, es war der 16. Juni 1811. Eine Woche später kam er in Ballenstedt an. Hätte ich damals gelebt, hätten wir meinen Geburtstag nachfeiern können – den 16. Juni. Zufall? Ich denke nicht!

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Brandenburgischer Brakteat mit dem Bildnis Albrechts des Bären, um 1150

Und wie kommen wir nun wieder zurück von Ballenstedt nach Vorpommern? Wir folgen den Spuren Albrechts des Bären, Graf von Ballenstedt etc. etc. Der Gründer der Mark Brandenburg und des Fürstentums Anhalt betrieb im 12. Jahrhundert eine sehr expansive Ostpolitik. Klingt bekannt? Unser Professor für Klassische Archäologie Oldřich Pelikán pflegte zu sagen: «Es gibt nichts neues unter der Sonne.» Unter Albrecht reichte die Mark Brandenburg jedoch nicht einmal bis zur Uckermark. An die Oder schafften es die Askanier erst einige Generationen später. Von dort ist es immer noch ein gutes Stück Weg bis ins Demminer Land, das zu Albrechts Zeiten gerade als Herzogtum Pommern-Demmin aufblühte. Zu Pferde ließe sich das in ein paar Tagen bewältigen. Wir können aber auch die spannendere Route wählen, den Wasserweg: Oderabwärts Richtung Norden bis ins Stettiner Haff, bei Anklam die Peene «aufwärts» (die Peene kann auch andersrum) direkt vor das Haus Demmin. Die Kirche Sankt Bartholomaei auf der Postkarte oben ist nur einige Steinwürfe weit entfernt. Auf der kleinen Wanderung dorthin sehen wir links am Hanseufer einen Speicher aus den 1920er Jahren. Im Dachgeschoss schlummert das seit 2015 geschlossene Kreisheimatmuseum, sein Waterloo kam zweihundert Jahre nach dem des kleinen Korsen. So etwas schmerzt den Museumsmann in mir. Wie schön wäre es doch, wenn man sich dort jetzt darüber informieren könnte, wie die Geschichte weiterging.